"Grenzen" 2011

Radierung/Kaltnadel, Linoldruck, Aquarell auf Papier 

Text im Original: Handschrift, Format jeweils 50cm x 100cm

 
 

Vor Grenzen inhaftiert. Namenlos. 
Du bist aus deinem Land geflohen, 
weil niemand dich dort schützen 
konnte vor Hunger und Gewalt. 
Statt Hilfe zum Leben steckte man 
dich in ein Kindergefängnis. 
Das Gefängnis wurde aufgelöst. 
Ich weiß nicht, wie du überlebt hast. 
Ich habe dich nicht kennenlernen können. 



An Grenzen ertrunken. Namenlos.
Es ist erst ein Jahr her, da bist du auf 
dem Flüchtlingsboot in Seenot geraten. 
Hubschrauber und Flugzeuge 
kreisten über eurem Boot, 
doch keiner half. 
Schließlich bist auch du ertrunken. 
Ich werde dich nie kennenlernen können. 
Europas Grenzen sind geschlossen.

 


In Grenzen geduldet. Hamid.
Seit Jahren lebst du in unserem Land
mit der Angst, abgeschoben zu werden.
Du wirst geduldet - ohne Möglichkeit zu
arbeiten, ohne wirklichen Raum zum Wohnen.
Ich habe dich kennenlernen können.
endlich hast du eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen.
wir sie Bestand haben
oder wird sie widerrufen werden?


Durch Grenzen getragen. Sarina. 
Gern erzählst du von den Bergen deiner 
Heimat und dem Dorf, aus dem dein 
Großvater euch alle gerettet hat. 
Jetzt hast du ein neues Zuhause 
gefunden und Freunde. Du gehörst dazu. 
Ich freue mich, dich kennengelernt zu haben. 
Manchmal werden Grenzen überwunden 
– sogar in Europa.